1938 – 2020
Wir werden Dich vermissen!
Ein Text von Andreas Theune-Hobbs
20 Jahre gibt es das Dampf- und Dorftheater nun schon.
Orje war sein Gründer und erster Impresario.
Unser erstes Stück war der „Peter Squenz“ von Gryphius. Ein barockes Schimpfstück. Was denn sonst? Bei Orje! Viel Dampf und noch mehr Dorf! Und: im wahrsten Sinne, herrlich dilettantisch von uns gespielt. Ja, die einen hatten schon mal vorne gestanden. Bei der Orffschen „Klugen“, Anfang der Neunziger, später als Statisten bei den Spektakeln in der jungen Kulturarena, als Musiker in einer Combo zum Volkstanz.
Aber Theater spielen? Das konnten wir alle nicht. Bis auf Orje. Der hat keine Möglichkeit für Ausflüchte gelassen: “Du bist der König und bring Deine Frau mit, die ist die Königin! Und Du Gunther bist der Löwe! Und Tommi macht den Pickelhering. Und Du …!“ So fing es an.
Wir spielten den „Squenz“ auf einer Wiese beim Orje. Die Zuschauer hatten Decken mitgebracht, was zu essen und sicher auch Anregendes und saßen im Gras. Wir hatten Lampenfieber. Die Sonne war die Bühnenbeleuchtung. Die Bühne bestand aus Paletten. Das Am-Vieh-Theater gab es damals noch nicht. Danach spielten wir in der Loge in Gerega, auf der Leuchtenburg, sogar in der altehrwürdigen Universität in Jena.
Und die Zuschauer haben gelacht. Und am Ende geklatscht! Und wie!
Ein tolles Gefühl! Das waren die eigentlichen Geburtsstunden des Dampf- und Dorftheaters.
Wir wollten mehr. Wir wollten es besser machen. Lernen, wie es geht. Wir wollten zusammen den nächsten Erfolg. Zusammen dieses Gefühl erleben, dieses nur selten sich einstellende, wenn aus einem Text ein Spiel wird, wenn man in eine Rolle schlüpft, so, dass das Publikum vergisst, dass da Tischler, Ärzte, Techniker, … nur etwas spielen.
Als der kleine 10-jährige Junge in Ziegenhain aufstand und zum Orje auf der Bühne rief: „Du Großmaul!“, da hatten wir diesen Moment. Orje spielte den Blepyros in der „Weibervolksversammlung“, ein herrliches Stück nach Aristophanes und verkörperte den Archetypen eines Machos.
Der Junge sprach das aus, was wir sagen wollten. Wir wußten kaum, wie mit diesem, uns bestätigenden Zwischenruf umzugehen. Mit dem Publikum mitlachen?
Wir alle verdanken Orje dieses ganz große Gefühl, erleben zu dürfen, wie aus einer Idee, vorbereitet durch viel Arbeit, auf einer Bühne etwas zwischen Ensemble und Publikum entsteht. Etwas, was berauschend sein kann. Orje hat uns infiziert mit diesem süchtig machenden Gefühl. Das ist seine Leistung! Er hat uns gelehrt, wie wichtig es ist, Kultur gemeinsam zu erschaffen. In unserem Umfeld, gemeinsam mit den Leuten hier. Für sie. Und damit entsteht auch was für uns, in uns. Das ist Heimat.
Und noch eine Fähigkeit hast Du, lieber Orje, besessen. Du hast losgelassen, als wir soweit waren, selbst das Steuer zu übernehmen. Beim „Amphitryon“ bist du kurzfristig noch einmal eingesprungen. Als der Göttervater Jupiter persönlich. Als ewiger Schwerenöter, der Alkmene, das Weib des Amphitryons verführt und am Ende vor den Sterblichen den Kürzeren zog. Das war Deine Rolle.
Noch ist es unvorstellbar, dass Du einfach nicht mehr dabei sein wirst, wenn wir das nächste Stück spielen. Wir können nicht mehr mit Dir im Am-Vieh-Theater ein Gläschen leeren.
Dennoch wirst Du unter uns sein. Beim Proben, auf der Bühne, beim Feiern.
In Gedenken an Dich, lieber Orje, heben wir allzeit unsere Gläser: Danke, für Deine Inspirationen; Danke für Deine Kraft, Danke, dass Du uns erschaffen hast.
Danke!
Im Namen aller Freunde und Mitwirkenden des Dampf- und Dorftheaters.